Giersch, Vogelmiere und Brennesseln gehören im allgemeinen Sprachgebrauch zu den Unkräutern. Sie sind sowohl im Erwerbsgartenbau als auch bei Hobbygärtnern unerwünscht und werden auf unterschiedlichen Wegen tunlichst bekämpft. Ist das wirklich so?
„Haben Sie Vogelmiere-Saat? Ich möchte Grünfutter für meine Wellensittiche ansäen.“ Mit dieser Frage hatte ich vor einigen Jahren in der Gartenabteilung eines Baumarktes für Heiterkeit gesorgt.
„Vogelmiere-Saat?“ Der Fachkompetenz-Mitarbeiter schaute mich erst ungläubig an, konnte dann aber sein Lachen kaum verbergen. „Das ist doch Unkraut und wächst überall. Das wollen Sie ansäen?“
Der gute Mann kannte meinen Reihenhausgarten nicht. Da gab es kein Unkraut. Dafür sorgten schon die scharfen Blicke meiner Nachbarn. Freundliche Menschen und cleane Mini-Gärten – so war das in den Vorstadt-Reihenhaussiedlungen. Vogelmiere, Giersch oder Brennnesseln hatten keine Chance … schon im Ansatz wurde so etwas mit Stumpf und Stiel ausgemerzt.
Heute ist alles anders. Vogelmiere-Saat gehört zum Standardsortiment und bei Gärtnern kann man das, was noch zu Beginn des 3. Jahrtausends als Unkraut galt, als Wildkraut kaufen. Natürlich in Bio-Qualität. Rezepte für Gierschsalat, Brennnesselnudeln und vieles Andere findet man in Kochbüchern und im Internet. Veganer schwärmen davon. Und selbst arrivierte Chefköche locken Gourmets mit ihrer saisonalen Wildkrautküche an.
Inzwischen bin ich Besitzerin eines alten Resthofes mit viel ehemaligem Weideland, auf dem sich gerade Giersch und Brennnesseln unglaublich ausbreiten. Ob ich einfach mal eine Anzeige in die Landlust setze und Menschen zum Ernten von Wildkräutern einlade? Gegen Bezahlung versteht sich.